Hallo an alle daheimgebliebenen!
Es gibt mal wieder was zu erzählen.
Was mich hier nämlich wirklich
manchmal umhaut ist die sambische Spontanität. Mein Gastvater hat
aufgehört im Kongo zu arbeiten und ist wieder zurück zu uns
gezogen. Er hatte seine Frau, die Familie, die Freunde und vor allem
das Essen zu sehr vermisst. Außerdem konnte er sich weder mit
französisch noch mit swahili so richtig anfreunden. Einen Tag bevor
er zurück kam, wurde mir das alles mitgeteilt. Dass wir doch nicht
umziehen und er eine Arbeit in Ndola gefunden hat. All die Möbel,
die wir verkauft hatten, werden jetzt mit dem für den Umzug
gesparten Geld durch neue Möbel ersetzt. Und daran kann man
auch gleich sehen, wie unterschiedlich Prioritäten gesetzt werden
können. Als ich eines Tages nach der Arbeit nach hause kam, stand da
einfach – haltet euch fest – ein 40“ Flachbildschirmfernseher
im 'Wohnzimmer. Dabei besitzen wir weder eine Waschmaschine, einen
Geschirrspüler, eine noch einen Backofen oder Staubsauger. All diese
Dinge würden für mich persönlich mehr Lebensqualität bedeuten.
Unserem Haushälter, der sowieso gehen
sollte, wurde dann auch morgens gesagt, dass wir in mittags zu
seiner Familie fahren und er somit noch am selben Tag bei uns
auszieht. Wir haben sogar schon einen neuen Jungen, der diesmal aber
nur für den Garten verantwortlich ist. Diese Geschichte geht mir
besonders nah. Er ist erst siebzehn und kommt jeden morgen aus dem
Armenviertel gelaufen, zu dem ich mit dem Fahrrad fahre um zu
unterrichten. Er ist somit ein Jahr jünger als ich, spricht mich
aber stets mit „ba Boss“ an. (Klar, hat mir das zuerst sehr
gefallen, aber es ist doch eigentlich nicht ganz richtig, oder? )
Er verdient etwa 40 Euro im Monat und
hat ohne Bildung und mit gebrochenem Englisch keinerlei Perspektiven
je einen viel besser bezahlten Job zu bekommen. Weil er noch
minderjährig ist, würde ich ihn gerne wieder nach hause schicken,
aber so ist das hier nun mal. Wenn überhaupt die „kostenlose
Schule“ (So wird sie vom Staat proklamiert. Tatsache ist aber, dass
trotzdem geringe Schulgebühren gezahlt werden müssen.) besucht
wird, ist für die meisten nach der siebten Schluss und mit 15 wird
schon angefangen unausgebildet zu arbeiten. Wer einen Job als
Haushälter in den reicheren Familien bekommt, kann sich sogar noch
recht glücklich schätzen.
Meine Familie ist
aber weiterhin sehr nett und ich bin froh, dass der Gastvater
zurückgekommen ist.
Damit ihr seht, dass ich auch die Wahrheit schreibe. Wir haben sogar etwas ähnliches Wie sky. Auch wenn ich wirklich selten Fernseh schaue, so kann ich mir auch hier unten in Sambia die Champions Leauge oder die gerade so famose Eintracht anschauen.
Liebe ist
verboten!
Aus der Schule
habe ich auch noch etwas zu berichten.
Ein ganz schön
trauriger Tag war, als nach einer Lehrersitzung eine Schülerin und
ein Schüler aus der Siebten in das Büro des Schulleiters beordert
wurden. Ihr fragt euch sicherlich, was sie angestellt hatten. Sie
sind ein Paar, sie lieben sich. Mehrfach wurden sie schon verwarnt,
aber immer wieder wurden sie gesehen, wie sie Händchen gehalten
haben oder auf dem Schoß des anderen gesessen haben. Jetzt nun, in
Anwesenheit des ganzen Lehrpersonals wurde ihnen die allerletzte
Chance gewährt. Über eine halbe Stunde wurde auf sie eingeredet,
dass sie die Beziehung beenden müssen. Ansonsten werden sie
suspendiert und die Eltern informiert. Auch ich musste meinen Senf
dazu geben wie böse das ganze sei, nachdem angemerkt wurde, dass ich
ja noch gar nichts dazu gesagt hätte. Ausgerechnet ich wurde dann
noch als Musterbeispiel genommen, wie man auch als Erwachsener noch
alleinstehend sein kann. Im nach hinein habe ich meinen
Lehrerkollegen dann schmunzelnd erklärt, dass in deutschen Schulen
solch ein Thema definitiv keine Angelegenheit der Lehrer sei. Hier in
Sambia aber mit einer dramatisch steigenden Aids-Rate, ist es
wahrscheinlich einfach nur das klügste, dass ein jeder mithilft
Dummheiten zu unterbinden. Traurig ist es trotzdem. Mit diesem
Hintergrund sogar noch viel trauriger.
Damit ihr mal ein typisches sambisches Essen sieht. Im großen Topf ist Nshima zu sehen , daneben fritierte Caterpilla(Schmetterlinge vor dem Entpuppen), Eipflanze und Rapsblätter. Leider weiß ich nicht, warum das Bild hochkant gedreht ist.
Das Bild soll nicht zeigen, dass das Essen hier ekelhaft wäre. Es schmeckt sogar echt ganz gut, wenn es auch ziehmlich ungesund ist. Ich bin nur mächtig stolz auf mich, dass ich ohne zu mosern alles esse. Wer mich aus früheren Tagen kennt, der weiß: ich kann auch anders sein. Hier aber folge ich treu dem Motto meiner Omas. Alles probieren. Und wenns nicht schmeckt, brauch man es ja nicht nochmal essen.
Zur
Aids-Aufklärung generell: Hier in Ndola gibt es fast keinen Tag, an
dem ich nicht eine Plakat begegne, welches auf die Gefahr von
ungeschützten Geschlechtsverkehr hinweist. In allen möglichen
öffentlichen und kirchlichen Einrichtungen sind an den Wänden
Poster zu sehen. Generell nimmt der Staat dieses Thema sehr ernst.
Auch wenn eine befreundete Entwicklungshelferin mir erklärt hat,
dass all dies nur gemacht wird, weil es von ausländischen Geldgebern
finanziert wird. Momentan hat er eine riesige Beschneidungswelle
initiiert. Durch das staatliche Fernsehen proklamiert, wird für
jedermann eine kostenlose Beschneidung angeboten. Dies soll
anscheinend die Wahrscheinlichkeit für eine Übertragung von Aids
verringern. Hoffentlich wird dies aber nicht als Freifahrschein von
der Bevölkerung aufgenommen. Aids wird wohl trotz aller Aufklärung
noch viele viele Jahre ein großes Problem sein und Waisen sowie
Halbwaisen hervorrufen.
Aus Anlass des
gestrig gefeierten 48. Unabhängigkeitstages möchte ich euch mit dem
Grundwissen der sambischen Geschichte ausstatten. Wer Zeit und Lust
hat, kann sich ja gerne das Folgende mal durchlesen.
Und zwar haben die im heutigen Staatsgebiet lebenden Menschen bis zum 7. Jh. nach Christus als Jäger und Sammler gelebt.
Um 800 herum
entstanden dann Dörfer von Menschen, welche vor allem von der
Landwirtschaft lebten und Eisenkunst sowie Handel nach Sambia
brachten.
Das in Sambia so
reich vorhandene Kupfer wurde um 1000 zum ersten Mal abgebaut.
Ab diesem Zeitpunkt wurden schon Sklaven,
Kupfer, Gold und Elfenbein nach Arabien und Asien gehandelt.Ab dem
15. Jh., aber vor allem vom 17. bis zum 19. wanderten die sogenannten
Bantu-Völker aus dem Kongobecken in das Gebiet Sambias ein und
gründeten ebenso wie die aus Südafrika kommenden Stämme mehrere
Königreiche.Zeitgleich betraten mit den Portugiesen nun erste
Europäer aus Handelsgründen in das Land ein.1851 erreicht David
Livingstone erstmals Sambia, welcher als erster Europäer die
Vitoria-Fälle sah. Das Vereinigte Königreich wurde nun aufmerksam
auf die Kupferresourcen Sambias. 1888 erwirbt Cecil Rhodes
Schürfrechte von lokalen Häuptlingen in Sambia und schon 1890 wird
Sambia Teil von Rhodesien. 1923 wird das heutige Sambia unter
britischem Protektorat zum eigenständigen Nordrhodesien
erklärt.. Der
Kupferabbau wurde von den Briten stark vorangetrieben. Doch dann
nahmen Streiks wegen Unterdrückung, schlechter Bezahlung und
schlechten Arbeitsbedingungen zu, welche Klassenkämpferische
Dimensionen annahmen.1946 wurde die erste Vorpartei gegründet, die
für die gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich unterdrückten
Afrikaner gleiche Rechte verlange. Das Ende des 2. WK markierte dann
das Ende des Kolonialismus.
Am 24. Oktober 1964 setzte der erste Präsident Sambias Kenneth Kaunda die Unabhängigkeit von Großbritannien durch, Sambia blieb jedoch Mitglied des Commonwealth. Seit dem Erlangen der Unabhängigkeit wurde Sambia daraufhin nach dem Vorbild der Sowjetunion sozialistisch regiert, die große Macht der Kirchen konnte den totalitären Kommunismus verhindern. Die einseitige Ausrichtung der Wirtschaft wurde beibehalten. Perspektiven für die vielen Kleinbauern wurden nicht geschaffen, stattdessen viel mehr die Flucht in die Städte gefördert. Das ging solange gut, wie der Kupferpreis auf dem Weltmarkt hoch und die Exporthäfen erreichbar waren. Ab 1969 übernahm die sambische Regierung die Mehrheiten an den Kupferbergwerken. Die weißen Verwaltungsstäbe wurden durch Sambier ersetzt. Doch anhaltend steigende Korruption und Inkompetenz in Betrieben und Verwaltung untergruben die Fundamente der sambischen Politik.
1973 wurde Sambia zum Einparteienstaat erklärt. Als ab 1975 ein kontinuierlicher Fall der Kupferpreise auf dem Weltmarkt einsetzte, begann sich eine Schraube nach unten zu drehen, die Sambia bis heute am Boden hält. Das BIP fiel seitdem um 30 Prozent. Die Regierung begann, das Land zu verschulden.1984 wurde der erste Fall von AIDS in Sambia berichtet. Seitdem wütet der Virus unkontrolliert im Land.
1990 musste Kaunda nach dem Zusammenbruch der UdSSR die erste demokratische Mehrparteienwahl seit der ersten Republik zulassen. 1991 wurde Chiluba zum neuen Präsidenten gewählt und Sambia kapitalistisch. Auch wenn dies für die Bevölkerung erst einmal neue Lebensqualität durch nie da gewesene Produkte bedeutete, so waren die staatlichen Betriebe der radikalen Marktöffnung nicht gewachsen und es folgten Massenentlassungen und Schließungen. 1995 war die Pro-Kopf-Verschuldung Sambias eine der höchsten der Welt. Seit 2005 steigt der Kupferpreis auf dem Weltmarkt wieder. Neue Bergwerke werden in Betrieb genommen, jedoch sind nur die wenigsten in sambischer Hand. Die Chinesen bringen nicht nur ihr Know-How und die Geräte sondern auch ihre eigenen Arbeiter mit, sodass Sambia nur sehr gering von seinem Kupfervorhaben profitiert. Nach 20 Jahren der durch Wahlbetrug oben gebliebenen Regierungspartei, wurde nun Michael Sata letztes Jahr als neuer Präsident Sambias gewählt. Mal schauen wie er sich so schlägt.
Machts gut
Euer Martin