Donnerstag, 25. Oktober 2012

Independence Day

Hallo an alle daheimgebliebenen!

Es gibt mal wieder was zu erzählen.
Was mich hier nämlich wirklich manchmal umhaut ist die sambische Spontanität. Mein Gastvater hat aufgehört im Kongo zu arbeiten und ist wieder zurück zu uns gezogen. Er hatte seine Frau, die Familie, die Freunde und vor allem das Essen zu sehr vermisst. Außerdem konnte er sich weder mit französisch noch mit swahili so richtig anfreunden. Einen Tag bevor er zurück kam, wurde mir das alles mitgeteilt. Dass wir doch nicht umziehen und er eine Arbeit in Ndola gefunden hat. All die Möbel, die wir verkauft hatten, werden jetzt mit dem für den Umzug gesparten Geld durch neue Möbel ersetzt. Und daran kann man auch gleich sehen, wie unterschiedlich Prioritäten gesetzt werden können. Als ich eines Tages nach der Arbeit nach hause kam, stand da einfach – haltet euch fest – ein 40“ Flachbildschirmfernseher im 'Wohnzimmer. Dabei besitzen wir weder eine Waschmaschine, einen Geschirrspüler, eine noch einen Backofen oder Staubsauger. All diese Dinge würden für mich persönlich mehr Lebensqualität bedeuten.
Unserem Haushälter, der sowieso gehen sollte, wurde dann auch morgens gesagt, dass wir in mittags zu seiner Familie fahren und er somit noch am selben Tag bei uns auszieht. Wir haben sogar schon einen neuen Jungen, der diesmal aber nur für den Garten verantwortlich ist. Diese Geschichte geht mir besonders nah. Er ist erst siebzehn und kommt jeden morgen aus dem Armenviertel gelaufen, zu dem ich mit dem Fahrrad fahre um zu unterrichten. Er ist somit ein Jahr jünger als ich, spricht mich aber stets mit „ba Boss“ an. (Klar, hat mir das zuerst sehr gefallen, aber es ist doch eigentlich nicht ganz richtig, oder? )
Er verdient etwa 40 Euro im Monat und hat ohne Bildung und mit gebrochenem Englisch keinerlei Perspektiven je einen viel besser bezahlten Job zu bekommen. Weil er noch minderjährig ist, würde ich ihn gerne wieder nach hause schicken, aber so ist das hier nun mal. Wenn überhaupt die „kostenlose Schule“ (So wird sie vom Staat proklamiert. Tatsache ist aber, dass trotzdem geringe Schulgebühren gezahlt werden müssen.) besucht wird, ist für die meisten nach der siebten Schluss und mit 15 wird schon angefangen unausgebildet zu arbeiten. Wer einen Job als Haushälter in den reicheren Familien bekommt, kann sich sogar noch recht glücklich schätzen.
Meine Familie ist aber weiterhin sehr nett und ich bin froh, dass der Gastvater zurückgekommen ist.

Damit ihr seht, dass ich auch die Wahrheit schreibe. Wir haben sogar etwas ähnliches Wie sky. Auch wenn ich wirklich selten Fernseh schaue, so kann ich mir auch hier unten in Sambia die Champions Leauge oder die gerade so famose Eintracht anschauen.

Liebe ist verboten!
Aus der Schule habe ich auch noch etwas zu berichten.
Ein ganz schön trauriger Tag war, als nach einer Lehrersitzung eine Schülerin und ein Schüler aus der Siebten in das Büro des Schulleiters beordert wurden. Ihr fragt euch sicherlich, was sie angestellt hatten. Sie sind ein Paar, sie lieben sich. Mehrfach wurden sie schon verwarnt, aber immer wieder wurden sie gesehen, wie sie Händchen gehalten haben oder auf dem Schoß des anderen gesessen haben. Jetzt nun, in Anwesenheit des ganzen Lehrpersonals wurde ihnen die allerletzte Chance gewährt. Über eine halbe Stunde wurde auf sie eingeredet, dass sie die Beziehung beenden müssen. Ansonsten werden sie suspendiert und die Eltern informiert. Auch ich musste meinen Senf dazu geben wie böse das ganze sei, nachdem angemerkt wurde, dass ich ja noch gar nichts dazu gesagt hätte. Ausgerechnet ich wurde dann noch als Musterbeispiel genommen, wie man auch als Erwachsener noch alleinstehend sein kann. Im nach hinein habe ich meinen Lehrerkollegen dann schmunzelnd erklärt, dass in deutschen Schulen solch ein Thema definitiv keine Angelegenheit der Lehrer sei. Hier in Sambia aber mit einer dramatisch steigenden Aids-Rate, ist es wahrscheinlich einfach nur das klügste, dass ein jeder mithilft Dummheiten zu unterbinden. Traurig ist es trotzdem. Mit diesem Hintergrund sogar noch viel trauriger.

Damit ihr mal ein typisches sambisches Essen sieht. Im großen Topf ist Nshima zu sehen , daneben fritierte Caterpilla(Schmetterlinge vor dem Entpuppen), Eipflanze und Rapsblätter. Leider weiß ich nicht, warum das Bild hochkant gedreht ist.
Das Bild soll nicht zeigen, dass das Essen hier ekelhaft wäre. Es schmeckt sogar echt ganz gut, wenn es auch ziehmlich ungesund ist. Ich bin nur mächtig stolz auf mich, dass ich ohne zu mosern alles esse. Wer mich aus früheren Tagen kennt, der weiß: ich kann auch anders sein. Hier aber folge ich treu dem Motto meiner Omas. Alles probieren. Und wenns nicht schmeckt, brauch man es ja nicht nochmal essen.

Zur Aids-Aufklärung generell: Hier in Ndola gibt es fast keinen Tag, an dem ich nicht eine Plakat begegne, welches auf die Gefahr von ungeschützten Geschlechtsverkehr hinweist. In allen möglichen öffentlichen und kirchlichen Einrichtungen sind an den Wänden Poster zu sehen. Generell nimmt der Staat dieses Thema sehr ernst. Auch wenn eine befreundete Entwicklungshelferin mir erklärt hat, dass all dies nur gemacht wird, weil es von ausländischen Geldgebern finanziert wird. Momentan hat er eine riesige Beschneidungswelle initiiert. Durch das staatliche Fernsehen proklamiert, wird für jedermann eine kostenlose Beschneidung angeboten. Dies soll anscheinend die Wahrscheinlichkeit für eine Übertragung von Aids verringern. Hoffentlich wird dies aber nicht als Freifahrschein von der Bevölkerung aufgenommen. Aids wird wohl trotz aller Aufklärung noch viele viele Jahre ein großes Problem sein und Waisen sowie Halbwaisen hervorrufen.



Aus Anlass des gestrig gefeierten 48. Unabhängigkeitstages möchte ich euch mit dem Grundwissen der sambischen Geschichte ausstatten. Wer Zeit und Lust hat, kann sich ja gerne das Folgende mal durchlesen.

Und zwar haben die im heutigen Staatsgebiet lebenden Menschen bis zum 7. Jh. nach Christus als Jäger und Sammler gelebt.
Um 800 herum entstanden dann Dörfer von Menschen, welche vor allem von der Landwirtschaft lebten und Eisenkunst sowie Handel nach Sambia brachten.
Das in Sambia so reich vorhandene Kupfer wurde um 1000 zum ersten Mal abgebaut.
Ab diesem Zeitpunkt wurden schon Sklaven, Kupfer, Gold und Elfenbein nach Arabien und Asien gehandelt.Ab dem 15. Jh., aber vor allem vom 17. bis zum 19. wanderten die sogenannten Bantu-Völker aus dem Kongobecken in das Gebiet Sambias ein und gründeten ebenso wie die aus Südafrika kommenden Stämme mehrere Königreiche.Zeitgleich betraten mit den Portugiesen nun erste Europäer aus Handelsgründen in das Land ein.1851 erreicht David Livingstone erstmals Sambia, welcher als erster Europäer die Vitoria-Fälle sah. Das Vereinigte Königreich wurde nun aufmerksam auf die Kupferresourcen Sambias. 1888 erwirbt Cecil Rhodes Schürfrechte von lokalen Häuptlingen in Sambia und schon 1890 wird Sambia Teil von Rhodesien. 1923 wird das heutige Sambia unter britischem Protektorat zum eigenständigen Nordrhodesien erklärt.. Der Kupferabbau wurde von den Briten stark vorangetrieben. Doch dann nahmen Streiks wegen Unterdrückung, schlechter Bezahlung und schlechten Arbeitsbedingungen zu, welche Klassenkämpferische Dimensionen annahmen.1946 wurde die erste Vorpartei gegründet, die für die gesellschaftlich, politisch und wirtschaftlich unterdrückten Afrikaner gleiche Rechte verlange. Das Ende des 2. WK markierte dann das Ende des Kolonialismus.
Am 24. Oktober 1964 setzte der erste Präsident Sambias Kenneth Kaunda die Unabhängigkeit von Großbritannien durch, Sambia blieb jedoch Mitglied des Commonwealth. Seit dem Erlangen der Unabhängigkeit wurde Sambia daraufhin nach dem Vorbild der Sowjetunion sozialistisch regiert, die große Macht der Kirchen konnte den totalitären Kommunismus verhindern. Die einseitige Ausrichtung der Wirtschaft wurde beibehalten. Perspektiven für die vielen Kleinbauern wurden nicht geschaffen, stattdessen viel mehr die Flucht in die Städte gefördert. Das ging solange gut, wie der Kupferpreis auf dem Weltmarkt hoch und die Exporthäfen erreichbar waren. Ab 1969 übernahm die sambische Regierung die Mehrheiten an den Kupferbergwerken. Die weißen Verwaltungsstäbe wurden durch Sambier ersetzt. Doch anhaltend steigende Korruption und Inkompetenz in Betrieben und Verwaltung untergruben die Fundamente der sambischen Politik.
1973 wurde Sambia zum Einparteienstaat erklärt. Als ab 1975 ein kontinuierlicher Fall der Kupferpreise auf dem Weltmarkt einsetzte, begann sich eine Schraube nach unten zu drehen, die Sambia bis heute am Boden hält. Das BIP fiel seitdem um 30 Prozent. Die Regierung begann, das Land zu verschulden.1984 wurde der erste Fall von AIDS in Sambia berichtet. Seitdem wütet der Virus unkontrolliert im Land.
1990 musste Kaunda nach dem Zusammenbruch der UdSSR die erste demokratische Mehrparteienwahl seit der ersten Republik zulassen. 1991 wurde Chiluba zum neuen Präsidenten gewählt und Sambia kapitalistisch. Auch wenn dies für die Bevölkerung erst einmal neue Lebensqualität durch nie da gewesene Produkte bedeutete, so waren die staatlichen Betriebe der radikalen Marktöffnung nicht gewachsen und es folgten Massenentlassungen und Schließungen. 1995 war die Pro-Kopf-Verschuldung Sambias eine der höchsten der Welt. Seit 2005 steigt der Kupferpreis auf dem Weltmarkt wieder. Neue Bergwerke werden in Betrieb genommen, jedoch sind nur die wenigsten in sambischer Hand. Die Chinesen bringen nicht nur ihr Know-How und die Geräte sondern auch ihre eigenen Arbeiter mit, sodass Sambia nur sehr gering von seinem Kupfervorhaben profitiert. Nach 20 Jahren der durch Wahlbetrug oben gebliebenen Regierungspartei, wurde nun Michael Sata letztes Jahr als neuer Präsident Sambias gewählt. Mal schauen wie er sich so schlägt.

Machts gut
 Euer Martin

Dienstag, 16. Oktober 2012

Alltag

Um 04:45 Uhr werde ich vom Wecker aus meinem tiefen Schlaf gerissen. Ich weiß ganz genau, einfach umdrehen und weiterschlafen bringt nichts. In zwei Minuten wird der andere Wecker losgehen. Und um diesen auszumachen muss ich sowieso aufstehen. Ich drehe mich trotzdem um und lasse die Augen zu. Mein erstes Ziel ist dann am frühen Morgen die Küche, um heißes Wasser für mich und meine Gastfamilie aufzusetzen. Während das Wasser langsam warm wird, schmiere ich mir meine vier Brotlappen mit Butter ein und koche Tee. Dann geht’s ab zum Baden. Wasser aus einem Bottisch schöpfend, sprenkle ich ich meinen ganzen Körper und das halbe Bad nass, seife mich mit Kernseife ein und mache sowohl mich als auch das Bad wieder sauber. Als Lehrer in Sambia sollte man unbedingt ordentlich gekleidet sein. Also ziehe ich mir meine lange Stoffhose an und knöpfe mir mein selbst gebügeltes Hemd (welches aus unerklärlichen Gründen doch immer voll von Knittern ist) zur Hälfte zu, sodass der kühle Fahrtwind so viel von meinem Körper erreichen kann wie nur möglich. Ich werfe noch einen kurzen Blick in meine Unterlagen um mich dran zuerinnen, was ich den Schülern heute eigentlich nochmal beibringen wollte. Ich will ja nichts vergessen mitzunehmen. Vor allem nicht den Schlüssel. Den Schlüssel!!! Wenn ich den nicht mitnehme, werden 65 Schüler vor einem verschlossenen Klassenraum stehen und mich für den grössten Trottel halten. Dieser Druck hat mich aber bisher zum Glück davor bewahrt ihn zu vergessen. Alles in eine Plastiktüte gepackt, spanne ich nun das Paket gekonnt auf den Gepäckträger meines chinesischen Fahrrads und binde es mit alten Gummischläuchen fest; Genauso wie ich es mir von den Sambiern abgeschaut habe.


Solche akrobatischen Meisterleistungen werden gerne mal in den Pausen geübt.

Ich betone deshalb, dass mein Fahrrad chinesisch ist, weil es mir in der kurzen Zeit, in der ich es erst habe, schon so viele Probleme bereitet hat. Allein in der ersten Woche nach dem Kauf war ich viermal! Wieder beim Indergeschäft, wo ich es gekauft hatte. In der Stadt gibt es generell viele Geschäfte in indischer Hand. Wir haben hier sogar ein eigenes indisches Viertel in Ndola. Da die Inder alle Businessmänner sind, leben sie hier schon ein recht gutes Leben und ihre Restaurants sind leider viel zu teuer.
An meinem Fahrrad war auf jeden Fall schon die Bremse gebrochen, der Lenker verbogen, die Pedale verloren und sogar die Gabel gebrochen. Momentan funktioniert es aber, also zurück zu meinem Tag.

Nun endlich, spätestens um sechs Uhr mache ich mich auf den Weg zur Schule. Es ist echt wichtig nicht zu spät zu sein, weil ich sonst den Sonnenaufgang verpasse. Ich fahre nämlich jener roten Sonne entgegen, die gerade am Horizont aufsteigt. Wenn ich bis zu diesem Zeitpunkt noch keine gute Laune habe, dann spätestens ab jetzt. Ich traue mich gar nicht euch Bilder vom sambischen Sonnenaufgang zu zeigen, ihr würdet wahrscheinlich vor Neid in Ohnmacht fallen. Jedem Tag nehme ich mir vor noch 5 Minuten früher aufzustehen, um ihn noch länger genießen zu können. Andererseits ist es aber auch echt eine Qual, wenn der Kopf wie automatisch die ganze Zeit nach oben gezogen wird, während ich eigentlich vor mir auf die Straße schauen sollte, weil da Glasscherben rumliegen. Ich habe mich ja schon über den Straßendienst in Flörsheim aufgeregt, aber hier gibt es halt einfach überhaupt keinen. So kommt's, dass ich mir auch schon zwei Platten eingefangen habe. In der Schule angekommen begrüße ich zuerst den sehr netten Nachtwächter, setze mich dann in den Klassenraum und warte auf die Schüler, damit ich um 6:30 beginnen kann. Wer sich jetzt fragt, warum eigentlich 6:30 und nicht mehr 7:30, das hat einen ganz einfachen Grund. Ich bin jetzt Lehrer und nutze meine neugewonnene Macht über die Schüler aus. Deswegen habe ich die Schule um eine Stunde nach vorne verlegt. Das Leben auf der Lehrerseite macht halt echt irgendwie viel mehr Spaß.
Um bei den Tatsachen zu bleiben: Es war mir fast unmöglich um halb eins noch Unterricht zu machen weil es in dem Klassenraum so heiß ist. Die vier Wände sind nur von einem Wellblechdach bedeckt und diese Gebilde verwandelt sich in der Mittagssonne zu einem Ofen. Die Kinder dösen nur noch vor sich hin, klagen vor Hunger und Kopfschmerzen und keiner kann sich mehr konzentrieren. Also 6:30 nun, damit wir früher aufhören können. Wer zu spät kommt, bleibt ausgesperrt. Es ist schon erschreckend, wie ich einfach die Methoden meiner alten Lehrer kopiere, dabei habe ich sie doch selbst gehasst. Aber ich bin wahrscheinlich eh schon zu meinem eigenen schlimmsten Albtraum mutiert. Disziplin muss halt sein, oder nicht? Und trotzdem werde ich nach jedem Tag von vereinzelten Schülern belagert, die es Schade finden, dass ich nach hause gehe.
Fakt ist, dass der Rohrstock hier doch öfters benutzt wird, als ich am Anfang gedacht hatte. Anfangs besaßen die Schüler noch etwas Angst vor ihrem Außerirdischem Lehrer. Seitdem sie aber merkten, dass von ihm keine Gefahr ausgeht, beschlossen sie ihm ein wenig auf der Nase herumzutanzen. Aber keine Angst, auch wenn ich noch immer Gewalt ablehne, schaffe ich es inzwischen etwas Ruhe und Ordnung hereinzubringen. Ist bei 65 Schülern natürlich immer relativ zu sehen. Aber ich setze eher so auf demütigende Methoden. Einige mussten sich schon die Stunden vom staubigen Boden ansehen oder haben ihre Wangen mit „Lärmmacher“ vollgeschrieben bekommen, damit jeder Bescheid weiß. Ich komme schon zurecht.

Je jünger die Schüler, desdo züggelloser tanzen sie. Hier auf der Feier des Welt-Lehrer-Tages


Mein Schulleiter meint mir aber leider trotzdem helfen zu müssen. Hin und wieder mal kommt er in meinen Unterricht herein, bekommt eine Liste vom Klassensprecher in die Hand gedrückt und bestraft die Nervtöter auf die rohrstöck'sche Art. Ist ja eigentlich echt lieb gemeint, aber ich habe noch nicht die richtigen Worte gefunden ihm zu erklären, dass ich seine Hilfe nicht will ohne ihn dabei anzutasten.
Ich gestalte meine Unterrichtszeiten ansonsten ungefähr so, wie ich es von Deutschland her kenne. Drei Doppelstunden mit 15-20 minütigen Pausen.
Mathe und Englisch unterrichte ich jeden Tag, dazu noch eins oder zwei der anderen Fächer gegen Ende des Tages, weil die Konzentration dann schon längst auf dem Boden liegt. Nachdem der Klassenraum gesäubert wurde, unterhalte ich mich noch kurz mit den anderen Lehrern. Gegen halb eins fängt der lustige Part des Tages an. Auf dem Nachhauseweg laufen mir dann nämlich schreiend die Kinder hinterher. Was ein Glück, bin ich aber schneller als sie. Ich mache kurz einen Stopp um mir ein Wassereis für 8 Cent zu kaufen und zieh mir dabei die Schuhe aus und die Hose hoch. Dieses tägliche Ritual bewirkt Wunder, denn meine Hände entkreiden sich und zugleich werden meine Stimmbänder gesalbt. Zuhause angekommen versuche ich mich als Hausmann. Der restliche Tag vergeht ganz schnell mit Kochen, Spülen und Unterricht vorbereiten. Viel Freizeit bleibt da wirklich nicht. Und man glaubt es kaum, aber als Mustersohn, der ich hier nunmal bin, gehe ich sogar früh ins Bett. Aber das geht bisher in Ordnung.  Umso mehr freue ich mich auf die echt abwechslungsreichen Wochenenden.

Liebe Grüße
Martin

Samstag, 6. Oktober 2012

Dorfleben




Der Insacker neben der Feuerstelle. Sieht doch echt traumhaft aus, oder?

 
Guten Tag!
Auch wenn mein Lehrerleben schon sein einmonatiges Jubiläum gefeiert hat, erlebe ich echt viel außerhalb der Schule, was - wie ich denke - echt Erzählenswert ist. Mein Highlight der letzten Woche war der Besuch eines „richtigen sambischen Dorfes“ gewesen. Nachdem ich die verschiedenen Seiten des Stadtlebens kennen gelernt habe, war ich sofort Feuer und Flamme, als meine österreichischen Freunde mir angeboten hatten mein Samstag in einem entlegenen Dorf ohne Strom und fließendem Wasser zu verbringen. Wir waren mir einem italienischem Priester unterwegs, der in einer nahegelegenen Mission einmal gelebt hatte, und seine Freunde in diesem Dorf besuchen wollte.
Nachdem wir uns etwa eine dreiviertel Stunde lang nördlich von Ndola wegbewegt hatten, verließen wir die geteerte Straße und es ging auf der Piste weiter. Am Straßenrand waren des Öfteren weiter entfernt Häuser zu sehen. Mitten auf dem Weg, der zu diesen führte, konnten wir stehts kleine Gegenstände, wie Tassen, Teller oder Flaschen finden. Diese, so erklärte uns der Pater, zeigen an, ob und was man bei diesen Häusern kaufen kann. Eine stehende Flasche bedeutet zum Beispiel, dass Alkohol gekauft werden kann. Dem entgegen zeigt eine Liegende den Ausverkauf an.
Aus dieser trockenen, weiten Umgebung fuhren wir langsam in den Wald. Der Weg wurde zwar immer dünner und abenteuerlicher, aber nach etwa zwei Stunden kamen wir in dem Dorf an. Einzelne Bewohner waren schon vorraus gelaufen, um den seltenen Besuch in Empfang zu nehmen. Diese eine der 50 Aussenstationen der zuständigen katholischen Gemeinde wird versucht einmal monatlich von einem Pater aufgesucht zu werden. Ansonsten dürften wir die ersten Weißen gewesen sein, die die Kinder dort zu Gesicht bekommen haben. So beeindruckend unser Besuch für sie gewesen sein mag, umso mehr war er es für uns.


Hier ist ein Junge zu sehen, den wir auf unserem Rundgang durch das Dorf getroffen haben. Er ist beim Geschirrwaschen im Bach.


Das Dorf mit vielleicht 800 Einwohnern bestand praktisch aus ganz vielen eigenen kleinen Dörfern. Die meisten Familien leben in Großfamilien zusammen. Das bedeutet, dass es jeweils ein kleines Schlafgebäude für die Mädchen, eins für die Jungs und eins für die Eltern gibt. In der Mitte dieses eigenen Dorfes befindet sich neben der Feuerstelle der „Insacker“, eine kreisförmige Sitzgelegenheit mit Dach, indem sich tagsüber aufgehalten wird. Etwas abseits ist dann die Toilette zu finden. Die Häuser sind ähnlich denen im Armenviertel in der Stadt sehr einfach gehalten.
Bei der Familie, die wir besuchten, sah das ganze dann neben dem kleinen Bach, in dem sich gewaschen und dessen Wasser getrunken wird, und inmitten Schatten spendenden Bäumen extrem idyllisch aus. Diese zwei vielleicht widersprüchlichen Gefühle von Faszination und Mitleid verfolgten mich bei all dein Eindrücken, die ich an diesem Tag bekommen habe.
Direkt nach der Ankunft wurde eine Messe gefeiert, in der eine ganz frischgebackene Nonne, kurz nachdem sie ihre ewige Profess abgelegt hatte, andenklich gefeiert wurde. Ganz ähnlich einer Hochzeit. In dieser zwei stündigen Bemba-Messe, in der ich nur wenige Wörter verstanden habe, wurde richtig schöne mehrstimmige Musik aus den einfachsten Instrumenten gemacht. Aber nicht nur das war es, was diese Messe so besonders und einprägsam machte. Wir waren viel mehr Teil einer traditionellen Zeremonie. Schlangenartig auf dem Boden robbend und mit Tüchern verdeckt wurde der neuen Nonne von ein paar Frauen die Ehre erwiesen. Mit Mehl wurde ihr Kopf gesalbt, eine Ziege wurde ihr gebracht und mit einer Axt um sie herum getanzt. Danach bekam sie klipp und klar gesagt, was nun ihre Aufgaben und Pflichten seien. Zum Schluss wurde noch getanzt.
Danach wurden wir zum Essen eingeladen. Wir saßen im Inneren an einem Tisch mit dem Familienvater und bekamen richtig, richtig gutes Essen. Es war wohl ein Hühnchen extra für uns geschlachtet worden, bekamen dazu aber noch anderes Fleisch, Salate und Gemüse, Erdnüsse, Nshima, Reis und Pommes, wenn ich nichts vergessen habe. Die gesamte Gemeinde allerdings aß draußen im Freien auf dem Boden sitzend Nshima mit Gemüse. Der Pater meinte zu uns, die anderen Dorfbewohner müssten wohl ziemlich neidisch gewesen sein. Nicht aber, weil extra wegen uns solch ein riesiger Aufwand betrieben wurde (die ganze Umgebung sah frisch gekehrt aus), sondern weil sie selbst gerne die Ehre gehabt hätten uns als Gast zu haben.
Die meisten Dorfbewohner sind Selbtversorger, sie planzen Gemüse und Mais an und halten Ziegen und Hünchen. Daher brauchen sie auch sogut wie kein Geld. Manche betreiben jedoch auch Handel zu der nächstgrößeren 16 km entfernten Stadt, sodass mit Öl gekocht werden kann und wenige sogar Handys besitzen, die sie an der zentralen Bar im Dorf aufladen können. Diese hat nämlich eine Solarzelle auf dem Dach.

So Schaut eine der überraschend vielen Kirchen im Dorf aus.


Ansonsten wurden wir noch herumgezeigt, die Schule, die Kirchen, die Wohnhäuser und das Fußballfeld, für welches aber leider kein Ball vorhanden ist, durften wir neben dem Bach begutachten.
Dann ging es auch mit vollgepackten Köpfen, die dieses traditionellere Leben irgendwie einordnen und beurteilen versuchten, nach hause.

Machts gut,
Martin