Donnerstag, 25. Juli 2013

Nur noch Stunden



Nur noch Stunden trennen mich vor der Rückkehr nach Deutschland. Von allen Leuten, die mir in diesem Jahr ans Herz gewachsen sind, habe ich mich verabschiedet. Meine Nachfolger sind schon in Ndola angekommen und werden kräftig herumgeführt. Auch alle Abschiedspartys sind erfolgreich über die Bühne gegangen. Es scheint wohl, als wäre meine Zeit hier nun zu Ende. Jetzt heißt es nur noch warten bis das Flugzeug kommt.
Etwas mulmig ist mir schon dabei. Es ist mein Vertrag, der mir sagt, dass ich Sambia verlassen muss, nicht jedoch mein Gefühl. Das Leben geht hier weiter, nur ohne mich. Und während ich die mir ans Herz gewachsenen Menschen und ihre Probleme verlasse, komme ich mir vor als ob ich mein eigens Leben verlasse, welches ich das letzte Jahr geführt hatte. Auch die Schule wird in Zukunft ohne mich auskommen. Das ist schön und traurig zugleich. Ich wünsche ihnen bloß alles Gute.
Aber dankbar bin ich. Ich habe in diesem Jahr so viele wunderbare Menschen kennen gelernt und durfte in die sambische Kultur hineintauchen. Ich habe einige der schönsten Orte dieser Welt besucht, aber auch gelernt wie sehr Menschen leiden können. Viel habe ich auch über mich selbst herausgefunden und konnte an den Herausforderungen wachsen.

Eine gute Nachricht zum Schluss habe ich noch: Mein Freund aus dem Armenviertel muss nicht zurück ins Dorf. Sein Adoptivvater hat seine auswegslose Situation erkannt, Mitleid mit ihm bekommen und ihm angeboten in Zukunft eine Ausbildung zum Lehrer zu finanzieren, anstatt ihn zurück ins Dorf zu schicken. Ist das nicht schön? Auch wenn Lehrersein nicht gerade die Wunschvorstellung von seiner Zukunft ist, öffnet ihm dies die Tür zu einer Zukunft jenseits des Armenviertels. Und nach ein paar Jahren des Arbeitens wird er genug Geld zusammengespart haben um seine Journalistenschule finanzieren zu können. Wünschen wir ihm  also auf seinem weiteren Weg alles Gute.
Hier sagt der Gemeinderat Lebe Wohl

Die Zeit in Sambia wird unvergesslich füer mich bleiben. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mich in dieser Zeit unterstützt haben, für mich gebetet haben oder an mich gedacht haben.
Tausendmal musste ich schon versprechen, dass ich wiederkomme. Mal schauen, wann das passiert. Aber bis dahin hoffe ich, dass die Verbindung zu Sambia stets lebendig bleibt und wir gemeinsam unser bestes tun um den Menschen in ihren Nöten dort beizustehen.
Ein letztes mal viele Grüße von mir aus Sambia

Martin

Montag, 15. Juli 2013

Abschied





X




Ich bin mir sicher viele von Euch würden gerne wissen was aus meinem Freund geworden ist, von dem ich das letzte Mal berichtet hatte. Zu aller erst die gute Nachricht. Er musste noch nicht zurrück ins Dorf, er wohnt noch immer in Ndola. Er hat all seinen Mut zusammengenommen um mit seinen Adoptiveltern zu reden und ihnen seine Situation zu erklären. Mit dem Versprechen alles sein möglichstes zu tun um einen Job zu finden, wurde ihm erlaubt noch für ein paar Wochen daheim wohnen zu bleiben. Die Sachlage bleibt jedoch die gleiche. Einen Job hat er immer noch nicht. Und findet er in naher Zukunft keine Anstellung geht’s ab zurück ins Dorf. Er hat nur etwas Zeit gewonnen.
Als ich meinem älteren Gastbruder von der Situation meines Freundes berichtet hatte, meinte er, dass er vielleicht helfen könnte. Er rief einen Freund an, dessen Vater eine Firma besitzt, die Leute anstellt um Gras wegzusensen. Dieser verlangte nach der Nummer meines Freundes und meinte er wird sein Möglichstes tun. Das ist nun eine Woche her. Leider hat er sich bis heute nie bei meinem Freund gemeldet.
Vielleicht ist das jetzt kein gutes Beispiel. Aber nur so läuft es hier in Sambia. Wer einen Job haben will, brauch Kontakte. Ich kriege tagtäglich erzählt, dass es so gut wie unmöglich sei in einer Firma anzuheuern, wenn man nicht wenigstens einen entfernten Verwandten dort, hat der für einen vorspricht.  Kontakte gehen wohl vor Qualifikationen. Der jüngere Gastbruder arbeitet momentan in Lusaka bei Zesco, dem nationalen Stromanbieter. Seine Tante, die dort arbeitet, hat ihm diesen Job verschafft. Der ältere Bruder hat gerade ein Praktikum hinter sich bei der Ölfirma, in der seine Mutter arbeitet. Und er wartet darauf bei einer Bank in Kitwe anzufangen, wo sein Onkel arbeitet.
Vielleicht erklärt das die auswegslose Situation des Freundes etwas besser.

So ganz nebenbei ist übrigens meine Zeit in der Schule zu Ende gegangen. Es ist der Wahnsinn wie schnell die Zeit vergangen ist, aber letzten Freitag haben meine Schüler und ich unseren letzten Unterrichtstag gehabt. Natürlich haben wir mehr gespielt und Süssigkeiten gegessen als gearbeitet. Die Kinder wussten schon länger, dass ich bald verlassen werde, und diese Stimmung war die ganze Woche schon über zu spüren. Die, denen ich besonders ans Herz gewachsen bin, wollten nachmittags gar nicht mehr zum Essen nach hause, sondern sind bei mir im Klassenraum geblieben. Ich musste sie dann irgendwann fast sogar zwingen heim zu gehen, stellt sich das mal einer vor.
Ich weiß, dass ich als Lehrer viel falsch gemacht hatte. Auch wenn es gegen Ende relativ harmonisch und lustig zuging, so hatte ich doch zuvor immer viel schreien müssen um mich gegen den Lärmpegel durchsetzen zu können.  Dass ich manchmal harrsch zu ihnen war tut mir natürlich sehr Leid, es ist aber unheimlich schön zu wissen, dass meine Schüler mir verzeihen können.  Ich bin den Problemkindern ja auch nicht mehr böse, dass sie meinen Alltag so anstrengend gemacht haben. Nein, ich vermisse sie schon und muss jedes Mal lächeln, wenn ich an sie denke.
Am Samstag schmiss die Schule eine riesige Abschiedsparty für mich. Ein Raum wurde gemietet, der schoen dekoriert wurde. 

Neben mir meine Kollegen und vor mir der leckere Kuchen

Alle Klassen haben für mich getanzt, mehr als zweihundert Schüler und alle meine Kollegen waren dort. Und ich muss ehrlich sagen, die ganze Geschichte war ziehmlich bewegend.

 

                                        Die Kinder machen das, was sie gut können: Tanzen

Angefangen hatten wir morgens, aber es wurde getanzt bis es dunkel wurde. Wunderschöne Geschenke habe ich bekommen, die ich Euch gerne zeigen kann, wenn ich wieder in Deutschland bin. Briefe und Fotos wurden ausgetauscht und rührende Reden gehalten. Außerdem musste ich jedem einzelnen meiner Schüler versprechen, dass ich sie nicht vergessen werde. Eigentlich solle ich gar nicht gehen, aber wiederkommen müsse ich auf jedenfall.
 
 Geschenke!

Alles in allem war es ein Tag, den ich wohl noch lange in Erinnerung behalten werde.
Die kommende Woche wird nun ganz vom Abschiednehmen geprägt sein. Ich habe die Möglichkeit mich mit meinen Freunden und meinen Gastfamilien noch ein letztes Mal zu treffen. Des Weiteren stehen noch Auswertungstreffen und die Abschiedsfeier der Diözese auf dem Programm. Am Donnerstag kommen bereits Jan uns Johannes, Teresas und meine Nachfolger in Ndola an. Die letzten meiner Tage werde ich dann nutzen um sie bei ihrer Orientierungsphase zu unterstützen.
Auch wenn momentan die Traurigkeit des Abschieds überwiegt, freue ich mich sehr Euch alle bald wiederzusehen! Also bis ganz bald
Euer Martin

Donnerstag, 4. Juli 2013

Die bewegende Geschichte eines guten Freundes



Ich weiß nicht ob ich es je in meinem Blog erzaehlt hatte, aber besonders am Anfang meiner Zeit in Sambia hatte ich ganz schoene Schwierigkeiten gehabt gute Freunde zu finden. Klar, die Menschen, denen ich begegnet bin, waren von Anfang an sehr offenherzig und freundlich gewesen, so entstanden recht schnell oberflaechliche Kontakte. Eine tiefere Biindung zu Freunden aufzubauen, damit tat ich mir  jedoch schwer. Den kulturellen Unterschied hatte ich stark gespuert, Humor und Gespraechsthemen waren irgendwie zu verschieden gewesen.
Dazu muss ich sagen, dass es in der wohlhabenden Gegend in der ich wohnte, fuer mich erheblich einfacher war, als meine Zeit mit Gleichaltrigen aus der Umgebung der Schule. Woran das lag? Ganz einfach daran, dass sich die Oberschicht Sambias sich sehr an unserem westlichen Leben orientiert. Umso gluecklicher war ich, als nach gut 4 Monaten endlich einen Jugendlichen aus dem Armenviertel getroffen hatte, den ich mochte, mit dem ich mich gut verstand und regelmaessig zu treffen begann. Wenn wir uns treffen, reden wir immer viel, kochen zusammen, schauen Filme auf meinem Laptop oder gehen in die Stadt. Wir geniessen eben unsere Zeit zusammen und so kriege ich viel vom Leben meiner eins-zwei wirklich guten Freunden mit. Und leider ist das nicht immer nur positiv.

Lasst mich Euch also nun die geschichte von meinem Freund erzaehlen, der mich in die Welt des Armenviertels ueberhaupt erst richtig hineingefuehrt hat.

Es war 2003, als er nach Ndola gezogen kam. Sein Vater hatte naemlich eine Anstellung in einem Betrieb gefunden, die Branche weiss ich nicht mehr. Auf jeden Fall war sein Verdienst genug die Miete vom Haus im Armenviertel, das Essen für die Familie und die Schulgebuehren fuer die Familie zu bezahlen.
So weit so gut.
Dann kam der Schicksalsschlag. 2008 ging der Betrieb des Vaters in bankrott, alle Arbeiter einschliesslich ihm wurden entlassen. Es begann eine schwierige Zeit fuer die Familie. Der Vater tat alles daran einen neuen Job zu finden, doch schnell wurde klar, dass die Lage aussichtslos war. Also wurde eine schwerwiegende Entscheidung getroffen: Die Rueckkehr der Familie ins Heimatdorf. Dort wuerde das Leben als Bauern ohne Strom zwar erheblich härter werden, doch dort spielt auch Geld keine Rolle mehr. Es gaebe wenigstens genug zu essen und das Ueberleben der Famile waere gesichert.

Mein Freund hatte allerdings Glueck. Da es im Dorf natuerlich keine weiterfuehrende Schulen gibt, sollte er in Ndola bleiben um seine Schule zu beenden und eine Chance auf eine gute Zukunft hat. Ein Freund des Vaters erklaerte sich also  bereit ihn aufzunehmen und auf ihn aufzupassen. Seit dem Beenden der Schule lebt mein Freund nun mit zwei seiner Adoptivgeschwister in einem kleinem Haesschen, welches aus Gemeinschaftsschlafzimmer und Esszimmer besteht. Aber auch ohne Kueche, Bad oder Sessel kommen sie gut zurrecht.


Auch wenn wir hier zusammen in seinem Wohn-, Arbeits- und Lebenszimmer stehen, unsere Schicksäle werden wohl verschieden sein.
 

Nun ist er zwar sehr aktiver Jugendlicher in der katholischen Kirche, doch leider vor allem auch arbeitslos. Zuhause ist er Hausmann. Er kocht und haelt das Haus sauber. Er wuerde gerne eine Ausbildung oder ein Studium beginnen. Journalist will er werden; er liebt das Schreiben.
Das Problem ist, dass in Sambia jegliche Ausbildungen viel Geld kosten, welches er nicht besitzt. Sogar ein Buch hat er schon geschrieben. Veroeffentlichen wird er is in naher Zukunft aber aus den gleichen Gruenden auch nicht koennen. Sein Plan ist also irgendwo eine Anstellunf als ungelernter Arbeiter zu finde, vielleicht als Gärtner, Haushaelter, eigentlich egal als was, um so Schritt fuer Schritt genug Geld fuer seine
Ausbildung zusammenzusparen.
Die Jobsituation in Sambia spielt ihm aber nicht gerade in die Karten. Bis zum heutigen Tag hat er nichts gefunden. Und nun wird es ernst. Mit dem Vorwurf der Faulheit konfrontiert, wird ihm vom Adoptivvater gedroht, dass er zurueck ins Dorf zu seinen Eltern geschickt wird, wenn er nicht innerhalb von 2 Wochen eine Anstellung findet.

Zurueck im Dorf warten auf ihn harte koerperliche Arbeit, Langeweile und vor allem eines: Perspektivlosigkeit. Seine Hoffnungen auf ein besseres Leben muesste er wohl auf alle Ewigkeit begraben.
Eine Woche dieses Ultiatums ist bereits verstrichen und noch immer steht er ohne Job da.