Mittwoch, 20. März 2013

Veraenderungen Teil 2



Hallo!

 Meiner Klasse geht es recht gut. Die Schueler geben wirklich ihr allerbestes um mich auf Trapp zu halten. Das schaffen sie so gut, dass manche Tage echt zarg werden und ich mit etwas Kopfschmerzen nach hause geh. Dann laeuft nicht viel in der Schule zusammen und am naechsten Tag wache ich kraftlos auf. Wahrscheinlich beschreibe ich den Alltag eines Jedermanns, der arbeiten geht. Naja, dafuer gibt’s ja auch die guten Tage. Dann, wenn die Schueler mich verstehen. Vielleicht sogar ihre Hausaufgaben gemacht haben und die Problemkinder nicht ihre Macht mit mir messen wollen. Dann, wenn wir im Unterricht lachen.
 So steuern wir auch schon wieder auf das letzte Drittel diesen Terms zu. Ich weiss, dass ich in der letzten Zeit relativ wenig berichtet habe. Das liegt wohl daran, dass Alltag eingekehrt war. Oder ich viele Dinge einfach nicht mehr als Erzaehenswert empfinde, weil sie fuer mich voellig normal geworden sind. Das Wetter war in letzter Zeit echt mies. Es regnete jeden Tag und auch die Temperaturen gehen spuerbar runter. Heute scheint mal wieder die Sonne in mein Gesicht. Mir geht’s gut. Und wahrscheinlich deswegen schreibe ich Euch mal wieder.


Sport auf einer besonderen Art. Diese Woche war ich zu Besuch bei unseren Nachbarn der Schule, einem Programm der Diözese fuer mental and physisch beeintraechtigte Kinder. Diese hatten Sportwettbewerbe in verschiedenen Kategorien. Hier Ballweitwurf im Sitzen. In ein paar Jahren soll dann wohl ein Team aus den besten Kindern landesweit zu den Paralympics geschickt werden. Ich wuensche ihnen dafuer natuerlich alles Gute.

Was ich heute nun erzaehlen moechte sind die Veraenderungen in der Schule. Und diese sind administrativer Art. Die wichtigsten Entscheidungen der Schule wurden ja bisher vom Gemeinderat bzw. dem als Alleinherrscher auftretende Gemeindevorsitzende getroffen. Seine Vorstellungen von wegen Schulgebuehren erhoehen ect. Fand bei uns Lehrern ja Ablehnung. Als Auswirkungen seines Plans die Qualitaet der Schule zu verbessern, bekamen die Lehrer immer mehr Angst ihren Job zu verlieren. Also nicht, dass wir uns falsch verstehen, bessere Lernqualitaet wollen wir hier alle. Er suchte aber regelrecht nach Fehlern bei den Lehrern. Er kam zum Beispiel oefters in den Unterricht, kontrollierte die Unterrichtsvorbereitungen auf ihre Richtigkeit und setzte an, Mahnungen an die Lehrer zu schreiben, falls sie zu spaet zum Unterricht kamen. Sprich: Er sah nur das Negative an ihrer Arbeit. Ein regelrechter Machtkampf entstand, ein Kindergarten, der keine gute Atmosphaere in die Schule gebracht hat. Als es nun ging, das Etat fuer das Jahr 2013 festzulegen, setzte er sich nun dafuer ein das Gehalt der Lehrer noch einmal zu kuerzen. Bei teilweise weniger als 50 Euro im Monat war das natuerlich ein schlehter Witz. Hilfesuchend wandten wir Lehrer uns gemeinsam an den neuen Gemeindepriester und erzaehlten ihm die Situation in der Schule, ihre Geschichte und alle Probleme. Der Pfarrer war geschockt. Und orderte sofort an einiges zu Aendern. In den naehsten Wochen schrieben wir so einige Briefe an verschiedene Organe der Kirche und der Politik um nach Spenden zu fragen. Die Gehaelter der Lehrer soll in Zukunft dem staatlichen Mindestlohn angepasst werden, der rund 140 Euro betraegt. Der Gemeindevorsitzende hat es schriftlich verboten bekommen sich in die Angelegenheiten der Schule einzumischen. Ganz witzig ist, ich weiss nicht ob ich es schon geschrieben hatte, aber zu ihm werde ich naechste Woche fuer eine kurze Zeit ziehen. Beziehungsweise ich werde zu ihm ziehen, wenn nun endlich die Erlaubnis von ganz oben bekommen habe. Aber ich denk er mag mich noch. Ich kann ja fuer die ganzen Dinge praktisch nichts.

Das macht alle Kinder gluecklich. Suessigkeiten nach einem anstrengenden Tag
Also die Atmophaere in der Schule stimmt wieder, und die Lehrer sind wieder positiv gestimmt. Und wir brauchen nicht mehr so viele Treffen diesbezueglich einberufen. Dazu kommt, dass sie sich alle auf die neuen Buecher freuen, die wir in naher  Zukunft endlich starten zu nutzen werden koennen.
Doof war nur, das letzte Wochen eine Cousine meines  Schulleiters gestorben ist, die in seinem Haus teilweise mitgelebt hatte. Sie war noch ein Teenager, hatte sich beim Nshimakochen fuer die ganze Familie den grossen Topf kochendes Wasser aber ungluecklicherweise ueber sich selbst gekippt. An diesen schlimmen Verbrennungen ist sie letzendlich erlegen. Eine ganz schoen schlimme Geschichte, wenn man das so hoert. Wenn jemand stirbt, hat das natuerlich Auswirkungen auf die ganze Familie im taeglichen Leben. Wie hier ueber Menschen getrauert wird vom Tod zur Beerdigung ist aber ein anderes Kapitel sambischer Kultur, welches ich hier jetzt nicht aufschlagen moechte. Fuer mich hiess es nur, das die ganze Klasse der Schule den Lehrer besucht hat und ich mich die restlichen Tage der Woche um zwei Klassen kuemmern musste.
Auch wir haben am Freitag eine Sportveranstaltung. Im moment trainieren wir deshalb nachmittags kraeftig dafuer. Verschiedene Grundschulen in der Gegend treten dann im Rennen, Sackhuepfen, Eierlaufen und Weit- bzw. Hochspruch gegeneinander an. An den anderen Nachmittagen, soweit kein Leseunterricht angesagt ist, versuche ich meine bescheidenen Computerkentnisse an meine Kollegen weiterzugeben, sodass wir auch nach diesem Jahr noch einfach ueber das Internet Kontakt haben koennen. Gar nicht so einfach das Ganze, wir mussten erst einmal lernen mit der Maus auf verschiedene Symbole zu klicken. Aber es geht vorran.
Eine schoene Woche noch,
Martin

Montag, 4. März 2013

Veraenderungen - Teil 1


Ich glaube ich sollte Euch mal wirklich wieder ein Update ueber meine persoenliche Situation hier in Ndola geben. Denn nicht nur meine Familie, auch die Arbeit hat sich in gewisser Weise veraendert.
Letzten Dienstag bin ich umgezogen. Nicht wirklich weit weg, aber ich wohne jetzt mit einer anderen Gastfamilie zusammen. Die Lage vom neuen Haus ist echt super. Ganz nah an der Innenstadt und auch naeher an meiner Schule dran. Trotzdem war das Abschiednehmen von meinen alten Gasteltern nicht sehr einfach. Nach sechs Monaten haben wir uns doch sehr an einander gewoehnt und eine enge Beziehnung aufgebaut. Was ein Glueck, dass ich ja nicht aus der Welt bin und sie am Wochenende immer wieder besuchen kann.

 Mein neues Zuhause


 Und diese Wohnungen werden gerade von meiner neuen Familie hochgezogen. Dazu gibts noch ne ganz interessante Geschichte. Es geht um Diebstahl und Gefaengnis. Da ich den Ausgang davon aber noch nicht weiss, erzaehle ich lieber mal noch nichts.


Die neue Familie besteht aus vier Personen: Die Mutter, zwei Soehne um die 25 und einem Cousin, der gerade auf die Ergebnisse seines sambischen Abiturs wartet. Der Vater ist schon vor einer Weile gestorben. Das Haus ist ganz schoen, mein Zimmer sieht ungefaehr genauso aus wie das Alte. Das beste an diesem Haus ist aber, dass morgens aus dem Wasserhahn heisses Wasser rauskommt.  Das heisst fuer mich ich brauche nicht mehr so frueh aufstehen um Wasser zum Waschen zu kochen. Dass es hier immer genug Obst und Gemuese zum Zwischendurch essen gibt, kommt mir auch sehr entgegen.
Um euch mal die Familienmitglieder einzelnd vorzustellen:
Die Mutter arbeitet in einer Firma, die fuer den Oeltransport von Tanzania nach Sambia verantwortlich ist. Was sie aber besonders auszeichnet ist ihre Naehe zu Gott. Als Domsekretaerin besucht sie momentan jeden Tag zweimal den Gottesdienst. Sie seht vor mir auf, geht in die Kirche, dann zur Arbeit, von dort aus wieder in die Kirche und um halb acht abends kommt sie dann wieder heim. Ja, ich denke das beschreibt ihr Tagesablauf recht gut. Auch das Wochenende ist sehr von der Kirche bestimmt. Sie ist naemlich gerade dabei dem Franziskaner Orden beizutreten. Zwar nicht als Schwester, aber irgendwie gibt es auch fuer Familienmenschen die Moeglichkeit eine Franziskanerin zu werden. Diese Ausbildung dauert 3 Jahre, naechstes Jahr hat sie es geschafft.
Am Freitagabend als ich mich gerade auf den Weg zu Freunden machen wollte, hiess es dann ploetzlich: „Familienbibelunterricht“. Diesen gibt es wohl jeden Freitag um diese Uhrzeit. Wir beteten recht lange im Knien, lasen in der Bibel, besprachen und interpretierten die gegebene Bibelstelle und knieten dann wieder um zu Beten. Ungefaher 90 Minuten ging das Spektakel. So als Neuankoemmling erschien es mir etwas gewohnungsbeduerftig. Aber ich konnte spueren, wie wichtig der Mutter die  Praesenz aller Familienmitglieder ist.
Der aeltere Bruder studiert von zuhause aus. Er hat vor die Pruefungen fuer eine britische Uni mitzuschreiben. Von daher ist er sehr viel zuhause. Er ist Vorsitzender von der Jugendgruppe der kleinen christlichen Gemeinde. Das macht es fuer mich sehr sehr einfach Kontakt mit den andren Jugendlichen aufzubauen. Jeden Sonntag treffen sie sich vor meiner Haustuer.
Der andere Bruder wartet darauf, dass sein Arbeitsvertrag im August anfaengt. Solange arbeitet er auch zuhause. Er ist naemlich Elektriker und die Familie baut gerade zwei weitere Haeuser auf ihrem Grundstueck, die vermietet werden sollen.
Der Cousin schmeisst den Haushalt und  kocht leckeres Essen.
Zu mir sind sie sehr gastfreundlich und gehen sicher, dass ich auch bloss nicht zu viel im Haushalt helfe. Im Generellen hab ich das Gefuehl, dass die Mutter als einzige die Einkommen hat, ihre erwachsenen Soehne noch sehr unter ihren Fittischen hat.
Das Programm sieht vor, dass ich die naechsten knappen drei Monaten hier bleibe. Meine Anfrage ins Armenviertel meiner Schule zu ziehen wurde letzendlich doch abgelehnt. Die Verantwortlich vor Ort sehen ein zu grosses Risiko darin, dass ich abends ueberfallen werden koennte. Es hatte wohl schonmal einen aehnlichen Zwischenfall mit einem weissen Priester gegeben. Naja, ich muss es halt akzeptieren. Zumindest haben sie mir versprochen, dass ich in naher Zukunft fuer zwei Wochen ins Armenviertel ziehen kann. Wenn die Leute verstehen, dass ich dort wohne, soll ich aber auch schon wieder ausziehen.
Mir geht es bei dieser ganzen Sache einfach darum, das Leben meiner Schueler zu erleben. Ich wuerde gerne besser verstehen, warum sie manchmal so sind, wie sie eben sind. Und ich denke, dass geht halt am besten vor Ort. Die Leute in der Stadt sind nunmal doch irgendwie anders und auf einer gewissen Art aehnlicher wie ich.
Da ich wie immer ein sehr beschaeftigter Mensch bin, der wenig Zeit hat, schreibe ich euch dann in meinem naechsten Bericht darueber, was sich in meiner Schule alles veraendert hat.
Viele Gruesse
Martin