Dienstag, 18. Dezember 2012

Icibemba

Ich versuche beim besten Willen meine Versprechen zu halten. Und deswegen hier ein Thema, über das ich schon länger mal schreiben wollte und ich endlich nun die Zeit dazu gefunden habe.

Für alle, die es nämlich noch nicht wissen: In dem 13 Millionen Einwohnerstaat Sambia werden 73 verschiedene Sprachen gesprochen. Stellt sich das mal einer vor! Das ganze rührt daher, dass Sambia zusammengewürfelt aus verschiedensten Stämmen besteht, die Jahrhunderte lang nebeneinander daher gelebt hatten. Man kann aber schon sagen, dass es 7 Hauptsprachen gibt, von denen jeder mindestens eine zu sprechen mächtig ist. In den verschiedenen Teilen des Landes gibt es also immer eine vorherrschende Sprache, die zwar nicht ausschließlich, aber zumindest von den meisten gesprochen wird. Um euch das zu verdeutlichen: Im Kupfergürtel, in dem ich beheimatet bin, und im Norden sowie Nordosten des Landes ist das Bemba. Im Zentrum um die Hauptstadt Lusaka herum, in der ich meine letzte Woche verbracht habe, ist es das Nyanja. Im Moment befinde ich mich in Livingstone im Süden und hier ist das Tonga vorherrschend.
Die Vielfalt dieser Sprachen bedeutet sicherlich einen kulturellen Reichtum, sie sind aber definitiv auch eine Herausforderung für jegliche ausländische Hilfe, die auf den einzelnen Sambier persönlich anspielen.
 
Typische Situation: Eine Schülerin, die auf ihre Schwester aufpasst

Damit es keinen Streit bezüglich einer Vormachtstellung eines Treibes gäbe, wurde sich im Zuge der Unabhängigkeit für Englisch als Amtssprache entschieden. In der Politik, der Wirtschaft und der Mittel- und Oberschicht wird dieses auch hauptsächlich genutzt. In den armen Vierteln und auf dem Land findet es dagegen so gut wie keine Beachtung. Ich würde aber sagen, dass wenn jemand irgendwo eine Anstellung finden will, Englischkenntnisse eine Voraussetzung sind.
Die meisten Sambier sind generell unheimlich sprachbegabt. Es kann so ziemlich jeder eine weitere sambische Sprache sprechen, abgesehen von der eigenen Muttersprache. Mir wurde das ganze so erklärt: Wenn der beste Freund aus einem anderen Stamm kommt, und man mit ihm aber täglich spielt, dann lernt man seine Sprache automatisch mit. Na wenn das so einfach ist…
Meine Gastmutter zum Beispiel spricht Bemba, Nyanja, Englisch, Lunka und ihr ursprüngliches Lozi. Manche meiner Schüler entstammen dem Kongo und können daher fließend Französisch, Swahili und dazu noch Bemba sprechen. Nur mit dem Englisch tuen sie sich schwer.
Das Witzige ist aber, dass diese afrikanischen Sprachen ihren Einfluss auf das gesprochen Englisch haben. Das wirkt sich vor allem auf die Aussprache, aber auch auf die Grammatik aus, sodass sich das ganze manchmal echt lustig anhört. Ich möchte hier keine Sprachanalyse machen, aber wen die einzelnen Besonderheiten wirklich interessieren, kann sich bei mir gerne melden. Ich habe sie auf jeden Fall alle schon tief verinnerlicht und besitze sicherlich einen sambischen Akzent beim Englischsprechen.
Immer kommen die Kinder überall her


Nun aber mal zu meinen persönlichen Bembakenntnissen. Ich glaube, darüber habe ich bisher wenig geschrieben, weil ich es im alltäglichen Leben  einfach nicht unbedingt können muss. In den ersten 6 Wochen hatten Teresa und ich ja Sprachunterricht. Ich muss schon sagen, in dieser Zeit habe ich wirklich viel Vokabeln gebüffelt. Meine Lehrerin hatte ich am Ende sogar so beeindruckt, dass sie einen Brief an den Bischof schreiben wollte, um ihn von unseren großartigen Fortschritten zu unterrichten. Wenn jemand hier in Sambia so maßlos übertreibt, dann sollte ich das zwar keines Wegs wörtlich nehmen, kann die Botschaft aber durchaus etwa so verstehen: „Gut gemacht. Mach weiter so.“
Doof nur, dass ich nach der Eingewöhnungszeit das Bemba nicht mehr täglich benutzt habe / unbedingt benutzen brauchte. So kommt es, das die alltäglichen Floskeln tief in meinem Wortschatz verankert sind, die Kenntnisse der schwierigeren Sätze aber eher rückläufig sind. Um den Trend zu stoppen, trage ich nun aber mein Vokabelheft wieder immer mit mir mit und grabe je nach Gelegenheit eins, zwei Vokabeln wieder heraus. Die Motivation dazu ist auf jeden Fall da. Denn die Reaktion auf jeden einzelnen Versuch Bemba zu sprechen, ist überragend. Es wird sehr wertgeschätzt, dass ein Weißer versucht „ihre“ Sprache zu lernen. Packe ich zum Beispiel meine Bembakenntnisse in einer Unterhaltung im Minibus aus, so lacht ganz schnell der ganze Bus darüber. Das ist aber kein Auslachen, sondern eher ein anerkennendes und belustigendes Lachen. Aber um bei den Tatsachen zu bleiben: Eine richtige Unterhaltung mit Thematik kann ich noch nicht führen.
Trotzdem, auch hier in Livingstone und Lusaka frage ich die Leute nach den einfachsten Sachen wie „Danke“ oder „Wie geht’s dir?“. Nicht, dass es irgendetwas bringen würde, das Entgegenkommende Lächeln ermuntert mich nur immer wieder dazu, wenigstens eins, zwei Wörter in der jeweiligen Sprache zu können.
Also, wie gesagt, ich werde jetzt meine freie Zeit hoffentlich bestens nutzen, um für den Schulstart fitter denn je zu sein.
Drückt mir die Daumen.
Viele Grüße,
Martin

Donnerstag, 6. Dezember 2012

Urlaubsgedanken


Hallo mal wieder!

Eine Frage. Wer von euch hätte sich eigentlich gefreut wenn der Klassenlehrer  unangekündigt zu hause vorbeigekommen wäre? Ich jedenfalls fand meine Hausbesuche sehr wertvoll und aufschlussreich. So konnte ich aus nächster Nähe miterleben in welchen Umständen meine Schüler wohnen und auch mal mit den Eltern reden, die nicht gekommen waren, um die Ergebnisse ihrer Kinder abzuholen. Fast alle Kinder waren zuhause, entweder am kochen, waschen oder nichts tuen. Die Eltern oder sonstigen Verwandten, bei denen sie wohnen, waren meistens auf dem Markt Sachen verkaufen. Wen ich nicht zuhause angetroffen habe, arbeitet schon auf einer der vielen Farmen. Nachdem die ersten Regentropfen nachmittags fallen ist es momentan Zeit zum Säen. Mich hat es echt überrascht, nicht alle am Spielen zu sehen. Aber sie müssen nunmal auf das Haus aufpassen, wenn sonst keiner da ist. Die Zustände der Häuser haben mich nicht mehr so überwältigt, ich hatte es schon so ähnlich erwartet, nachdem ich nun ja doch schon öfters in der Gegend herumgelaufen bin. So langsam bekomme ich echt Orientierung. Und ich werde bekannter. Ich finde es ehrlich gesagt recht angenehm öfters beim Namen angesprochen zu werden als ständig nur „Hallo weißer Mann“ zu hören.
Die Resonanz war geteilt. Mir ist zwar große Dankbarkeit für das Unterrichten der Kinder entgegen gekommen, manche möchten ihre Kinder aber trotzdem nicht die Klasse wiederholen sehen.
Für diese Woche habe ich diesen Kindern vormittags Nachhilfeunterricht angeboten, um vorhandene Lücken auszubessern. Leider waren stets nur vier oder fünf gekommen. Andererseits ist das aber echt angenehm und so konnte ich mich besser auf den Einzelnen konzentrieren.


Aber nun zu meinem Urlaub. Denn auch wenn ich im Moment gerne noch ein bisschen hier bleiben würde, freue ich mich natürlich auf etwas Entspannung und Abenteuer. Also mein Plan schaut folgendermaßen aus: Als erstes geht’s ab nach Lusaka zu Freunden. Nach eins, zwei Nächten dort mache ich mich zusammen mit Teresa auf zum Kariba Stausee, wo es wunderschöne Strände geben soll. Um den 20. Spätestens sollte ich dann in Livingstone an den Viktoriafällen sein, um dort mein Weihnachtsfest zu verbringen. Im Teufelspool zu schwimmen, Water rafting zu machen und die Wasserfälle zu sehen, ja, dadrauf freu ich mich am meisten. Das Reisemittel für all diese Ziele: Der Bus. Ich werde so oft es geht versuchen schöne Reisebusse zu nehmen, die zwischen den großen Städten hin und her fahren. Notfalls werde ich mich mit den Minibussen fortbewegen. Um den ersten Weihnachstfeiertag herum möchte ich dann in den Zug nach Tanzania einsteigen. Nach Zeitplan kommt dieser drei Tage später an der Ostküste Tanzanias in Dar-El-Salaam an. Von dort aus mache ich mich mit der Fähre auf Sansibar. Gewürzplantagen, Traumstrände und Tauchtouren warten dort auf mich. In all den Plätzen, die ich besuchen werde hoffe ich nette neue Leute kennen zu lernen, mit denen ich meine Zeit dort verbringen kann. Das ist hier allerdings meine geringste Sorge, da ich sowohl Freiwillige als auch Einheimische immer stets als sehr gesellig und offen empfunden habe. Vielleicht kann ich so dann auch den einen oder anderen Euro einsparen. Der Urlaub wird nach etwas über 4 Wochen um den 10. Januar zu Ende gehen. Denn dann startet das Zwischenseminar in Tanzania. Dieses dient zur Reflektierung des ersten Halbjahres. Es wird wohl eine ernste nachdenkliche Zeit werden, wo jeder für sich selbst herausfindet, ob die Projekte ihren richtigen Weg gehen und das eigene Verhalten analysiert wird.
Was meine Reisepläne anbetrifft, schweben diese so in meinem Kopf. Es ist aber alles sambisch spontan variabel, mal schauen ob das so klappt. Wäre auf jedenfalls super. Übernachten werde ich bei Backpacker Hotels und bei Freunden.
Meinen Blog möchte ich natürlich nicht so lange ruhen lassen, ich habe fest vor Reiseberichte zu erstatten und in meiner freien Zeit über einzelne wenige Themen nachzudenken, die mir sowieso auf dem Herzen liegen und von denen ich denke, dass sie euch interessieren können. Trotzdem nicht böse sein, falls ich mal für zwei Wochen untergetaucht sein sollte.

Im neuen Jahr übernehme ich die neue sechste Klasse. Ich bin gespannt wie viele Schüler dort drin sein werden, denn eigentlich sollten ja um die dreißig Kinder wiederholen. Würde mich freuen sie wieder zu sehen. Ich werde dann auch in eine neue Familie ziehen, nicht weil diese nicht nett wäre, sondern einfach um andere und umfangreichere Eindrücke des sambischen Lebens zu bekommen. Ich habe den Wunsch geäußert näher bei meinen Schülern zu wohnen, aber mal schauen was daraus wird. Ich bin mir sicher, dass auch die neue Familie mich willkommen heißen wird.
Noch irgendwelche Fragen?
Wenn nicht, dann melde ich mich das nächste Mal von irgendwo anderswo hier aus Sambia.
Bis dahin, alles Gute und genießt die Adventszeit. Von dieser spüre ich hier nämlich leider nichts. Keine Adventskalender, keine Gränze, keine Deko. Nicht einmal die Plätzchen, die meine Mama mir geschickt hat, sind angekommen. Nur der Miniplastikbaum im Wohnzimmer erinnert mich an Weihnachten.
Aber ich will mich ja nicht beschweren, ich glaub mir geht’s auch so ganz gut.

Liebe Grüße
Martin